Fantasiereisen: Was lösen sie im Gehirn bei Kindern aus?

Im letzten Beitrag wurden Fantasiereisen als Achtsamkeitsübung für Kinder vorgestellt. Dabei wurden auf verschiedene positive Wirkungen hingewiesen, die Fantasiereisen im menschlichen Körper entfalten können.

Doch wie lassen sich diese Wirkungen erklären? Welche Prozesse entstehen während der Erfahrung der Reise im Gehirn? Dieser Beitrag soll einen kurzen Einblick in die neurologischen Prozesse bieten, die während einer Fantasiereise im Gehirn ablaufen. Begleite mich also gerne in die Entdeckung der faszinierenden Welt des Gehirns

In welchen Gehirnregionen wirken Fantasiereisen?

Das Gehirn kann als ein offenes System verstanden werden. Über die Sinne werden Reize aus der Umwelt wahrgenommen und im Gehirn verarbeitet. Die Erfahrung von Fantasiereisen wirkt sich in den höheren Gehirnfunktionen aus. Diese Gehirnfunktionen umfassen Denkprozesse, die Wahrnehmung, das Gedächtnis, die Aufmerksamkeit und Konzentration, die Emotionsregulation sowie die Prozesse der Entscheidungsfindung.

Diese Funktionen sind eng miteinander verbunden, um komplexe Verhaltensweisen und kognitive Prozesse zu ermöglichen. Sie spielen eine entscheidende Rolle bei der Bewältigung des Alltags, der Anpassung an neue Situationen und der Erreichung persönlicher Ziele.

Fantasiereisen können mentale Zustände beeinflussen

Die Natur des Gehirns kann mit etwas Vorstellungskraft mit Fantasiereisen verglichen werden. Das Gehirn ist ein Zusammenspiel von Chaos und veränderbaren Strukturen.

In den höheren Gehirnfunktionen bestehen dynamische Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Systemen. Diese offenen Systeme beinhalten stabile und instabile mentale Zustände. Stabile Zustände werden Attraktoren genannt. Sie dienen als Ankerpunkte, die im Chaos eine Orientierung für andere Zustände bieten und mentale Stabilität ermöglichen.


Ein Attraktor kann beispielsweise eine positive Stimmungslage erzeugen und die Emotionen sowie Gedanken entsprechend beeinflussen. Im offenen dynamischen System des Gehirns wirken Anstupser (Tipping-Points) auf diese stabilen Zustände ein und führen zu Veränderungsprozessen, indem sie Instabilitäten verursachen. Im Zuge dieser Veränderungsprozesse erfolgt eine Anpassung und erneute Stabilisierung der Zustände.

Fantasiereisen und die damit verbundenen Übungen können wirkungsvolle Attraktoren enthalten. Einerseits stellt die aktive Entspannung und Fokussierung während der Fantasiereise einen Attraktor dar. Dabei bietet die Wahrnehmung der Atmung und des Körpergefühls eine mentale Stabilität im Gehirn. Zugleich wirken die Suggestionen und die positiven Assoziationen mit den vorgestellten Eindrücken der Umgebung bei der Fantasiereise als Attraktoren.

Darüber hinaus bieten Fantasiereisen Möglichkeiten zur Beeinflussung der Tipping-Points im Gehirn. Durch die Erschaffung von Imaginationen können beispielsweise stabile mentale Zustände adressiert werden, indem beispielsweise mit positiven Assoziationen gearbeitet wird. Fantasiereisen können also aus der Struktur narrativer Erzählstränge heraus, gezielt Ankerpunkte setzen und so die mentalen Zustände im Gehirn beeinflussen.

Aktivierung sensorischer Bereiche

Während einer Fantasiereise werden verschiedene Bereiche des Gehirns aktiviert, um die vorgestellte Umgebung zu simulieren. Die visuellen, auditiven und sensorischen Bereiche des Gehirns werden angeregt, um die Vorstellung von Landschaften, Klängen und Empfindungen zu erzeugen.

Bei Fantasiereisen versetzen sich die Reisenden in einen meditativen tranceähnlichen Zustand. In diesem Zustand erzeugen Wörter besonders stark bestimmte Bilder im Kopf, die mit den Wörtern assoziiert werden. Die Bilder regen die volle Aufmerksamkeit des Reisenden an und führen zu einem Gefühlszustand der Entspannung.

Demnach gehen Forscher davon aus, dass Fantasiereisen besonders stark das visuelle System aktivieren und durch hervorgerufene Erinnerungen und Assoziationen einen emotionalen Zustand erzeugen. Daher ist es wichtig bei Fantasiereisen mit visuellen Reizen zu arbeiten und die Umgebung lebhaft mit bestimmten Eigenschaften zu füllen.

Wirkungen über das auditorische System

Fantasiereisen können zudem auch im auditorischen System auf die Emotionen und das Unterbewusstsein einwirken. Das auditorische System kann Reaktionen triggern und die Aufmerksamkeit aktivieren. Studien haben gezeigt, dass auditive Reize, verschiedene Regionen des Gehirns, wie den präfrontalen Kortex, aktivieren können. Daher arbeite ich in meinem kostenlosen Bildungspodcast “Mit LOU durch die Welt” mit spezifischen Soundeffekten, die die Effekte des auditorischen Systems verstärken.

Der präfrontale Kortex ist an der Verarbeitung von kognitiven Aspekten des Hörens beteiligt, wie zum Beispiel der Interpretation von Bedeutung oder der Erinnerung an gehörte Informationen. Über das Auslösen von Reaktionen im präfrontalen Kortex kann das auditorische System verschiedene Reaktionen und kognitive Prozesse anregen.

Der präfrontale Kortex wird während der Fantasiereisen aktiviert, wenn Menschen sich bewusst auf diese Erfahrung der Reise konzentrieren. Dieser Fokus ermöglicht eine Lenkung der Aufmerksamkeit und eine Steuerung der Vorstellungskraft.

Durch die Verbindung von Erzählungen mit Klängen können die Reisenden in faszinierende Klangwelten geführt werden, die positive körperliche Reaktionen verursachen und die Aufmerksamkeit für die Reise erhöhen. Durch Klänge können sich Reisende der Erfahrung der Fantasiereise hingeben und sich fallen lassen.

Aktivierung des limbischen Systems

Das limbische System im Gehirn ist für die Emotionsregulation verantwortlich. Über das limbische System werden die Stimmungslage sowie der Grad der Anspannung oder Entspannung geregelt. Diese Reaktionen werden insbesondere durch den Neurotransmitter Serotonin verursacht. Fantasiereisen können das limbische System aktivieren, was positive Emotionen verstärken kann.

Forschungen zur Hypnose haben gezeigt, dass über das Zusammenspiel zwischen dem auditorischen und visuellen System Entspannungszustände hervorgerufen werden können. Die Bildsprache in Fantasiereisen führt demzufolge zu einer Verbindung von Wahrnehmungssystemen. Die Erzeugung dieser Entspannungszustände geschieht über die Aktivierung des parasympathischen Nervensystems. Dieses Entspannungsystem kann insbesondere über Imaginationen aktiviert werden. Dies kann eine Reduzierung von Stresshormonen fördern und den Körper in einen ruhigen Zustand versetzen.

Zugleich können emotionale Lernprozesse durch Fantasiereisen ausgelöst werden.

Die Inhalte von Fantasiereisen stellen Informationen dar, die im Gehirn mit vorhandenen Konzepten abgeglichen werden. Durch die Erzählungen kann ein Matching mit diesen Erwartungen und Vorstellungen geschaffen werden.

Auf diese Weise können bestehende innere Konzepte durch Fantasiereisen verändert und gleichzeitig Lernprozesse aktiviert werden. So ermöglichen Fantasiereisen ein emotionales Lernen, indem beispielsweise positive Emotionen mit bestehenden Konzepten beziehungsweise Gedanken in der Amygdala verbunden werden.  

Insgesamt können Fantasiereisen verschiedene Bereiche des Gehirns aktivieren, die mit der Vorstellungskraft, Aufmerksamkeit, Emotionsregulation und Entspannung verbunden sind. Diese neurologischen Effekte können dazu beitragen, die Achtsamkeit zu fördern, positive Emotionen zu fördern und Stress abzubauen.

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Fantasiereisen als Achtsamkeitsübung